1924 Erste Kraftfahrspritze für Tölzer Wehr

Das Schmuckstück unserer Wehr

 

Die erste Tölzer Kraftfahrspritze – ein Stück in zwei Akten

„Die Feuerwehr Bad Tölz ist ja besser ausgestattet als so manche Wache der Münchner Feuerwehr.“

Nach einem Blick auf das Gerätehaus an der Lenggrieser Straße mit seinen 16 Stellplätzen, zehn Einsatz­fahrzeugen und vier Anhängern ist man geneigt, sich dieser Aussage anzuschließen. Sie stammt aber gar nicht aus unserer Zeit, sondern aus dem Jahr 1932 vom damaligen Bezirksbrandinspekteur. Er stellt anlässlich einer Übung beim Moralt fest, dass manche Münchner Kompanie nicht über Geräte verfügt, wie man sie in Tölz hat. Bereits 1929 erwähnte Oberregierungsrat und Bezirksamtsleiter Dr. Lurz, dass die Tölzer Wehr nicht nur die besteingerichtete und bestorganisierte des bayerischen Oberlandes sei, sondern die Beste der Städte in Bayern, die die gleiche Größe von Tölz aufweisen.

Diese Aussagen mögen als Belege gelten, dass auch zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Stadtväter sorgsam darauf achten, die Tölzer Feuerwehr mit moderner Technik auf dem Stand der Zeit zu halten. Ein Pflicht­gefühl, das sich bis in die Gegenwart erhalten hat. Heute sind komplexe Beschaffungsverfahren, gerichts­feste Leistungsverzeichnisse, europaweite Ausschreibungen, intensive Begleitung durch Baubesprechung, Rohbau- und Schlussabnahme und oft weitere Fehlerbeseitigungen am Standort mit dem Kauf eines neuen Feuerwehrfahrzeugs verbunden. Verfahren, die neben der finanziellen Anstrengung für die Kommunen auch intensive fachliche Unterstützung der in der Regel ehrenamtlichen Experten erfordern. Aber auch in den 1920er Jahren war der Kauf neuer Feuerwehrtechnik mit ungeahnten Mühen ver­bunden. Drei Jahre soll es dauern, bis die Feuerwehr Bad Tölz ihr erstes motorisiertes Löschfahrzeug in den regulären Dienstbetrieb nehmen kann.

Am 16. September 1921 erlässt das Staatsministerium des Innern an die Bezirksverwaltungsbehörden Hinweise zur Beschaffung von modernster Feuerwehrtechnik, den Kraftfahrspritzen. Auslöser sind die enormen wirtschaftlichen Verluste durch Brände. Am Standort einer Spritze müssen gewisse Voraus­setzungen erfüllt sein, wie ein gut ausgebautes Straßennetz oder eine ausreichende Wasserversorgung. Um die Gemeinden zum Kauf anzuregen, wird ein staatlicher Zuschuss von bis zum 50 Prozent in Aussicht gestellt. Über den Landesfeuerwehrverband werden Empfehlungen zu geeigneten Fahrzeugtypen erteilt. Interessierte Gemeinden sollen sich bis Anfang November 1921 melden.

Erster Akt: Am 11. Oktober 1921 beschließt der Stadtrat Bad Tölz, alles Erforderliche für eine durch den Staat geförderte Beschaffung einer Kraftfahrspritze für die FF Bad Tölz in die Wege zu leiten. Die Fahr- und Bedienmannschaft kann von den städtischen Elektrizitätsmaschinisten gestellt werden. Bezirksfeuer­wehrvertreter Anton Wiedemann nimmt Kontakt zur Magirus Feuerwehrgeräte G.m.b.H. München auf, die mit Schreiben vom 17. Oktober 1921 zwei Angebote unterbreitet. Unter anderem bietet sie für 195.000 Mark die benzin-automobile Magirus-Motorspritze Modell „Bayern“ mit 1½ Tonnen Magirus-Fahrgestell, 32 PS Magirus-Benzin-Motor und Magirus-Hochdruck-Zentrifugalpumpe für etwa 750 bis 1100 Liter Minutenleistung an. Die Lieferzeit wird unverbindlich mit 4 bis 5 Monaten angegeben.

skizze.jpgSkizze der Kraftfahrspritze Modell Bayern, die vom Tölzer Stadtrat 1921 bei Magirus bestellt wird.

Skizze der Kraftfahrspritze Modell Bayern, die vom Tölzer Stadtrat 1921 bei Magirus bestellt wird.

Ein erster Rückschlag ereilt die Gemeinde am 25. Oktober. Der Bezirkstag Tölz lehnt es ab, die An­schaffung der Kraftfahrspritze selbst durchzuführen, um sie allen Bezirksgemeinden in der Umgebung von Tölz zur Verfügung stellen zu können. Die Stadtgemeinde möchte auch ohne den Bezirk an der Beschaffung einer Kraftfahrspritze festhalten, wie sie der Firma Magirus in einem Schreiben vom 27. Oktober 1921 mitteilt. Darauf antwortet Magirus, dass die Angebotspreise vom 17. Oktober bedingt durch die Teuerung nicht zu halten sind. Das Modell Bayern kostet nun 197.600 Mark zuzüglich weiterer Son­derausrüstung. Die verstellbare Windschutzscheibe kostet 1.760 Mark, die elektrische Anwerfvorrichtung 3.700 Mark. Länger als 14 Tage sind die Preise nicht zu halten.

Das Innenministerium informiert am 16. November das Bezirksamt Tölz über die Gewährung eines Zuschusses in Höhe von 90.000 Mark. Als Standort wird Tölz bestimmt mit der Auflage, im ungefähren Umkreis von 25 km Überlandhilfe zu leisten. Die restlichen Anschaffungskosten haben die Gemeinde, der Bezirk, benachbarte Gemeinden oder Bezirke und größere Betriebe zu tragen.

Der Tölzer Kurier berichtet in seiner Ausgabe vom 23. November über die außerordentliche General­versammlung der Freiwilligen Feuerwehr Bad Tölz am Nachmittag des 20. November 1921 im Bruck­bräu-Nebenzimmer. Bezirksfeuerwehrvertreter und Vorstand Anton Wiedemann informiert die Teil­nehmer über das Vorhaben der Stadt und Prokurist Britting von der Firma Magirus stellt in einem längeren Referat die Bauart und die Vorzüge der Automobilkraftfeuerspritze Typ Bayern vor. Die Versammlung unterstützt den Kauf der Kraftfahrspritze, möchte aber zugleich die Dampfdruckspritze als Reserve erhalten wissen.

Am 21. November teilt die Firma Magirus der Stadt Tölz schriftlich mit, dass die Angebotspreise vom 17. Oktober beim besten Willen nicht zu halten seien. Die notwendigen Preiserhöhungen stünden unter Vorbehalt bis zur Ablieferung der Spritze. Man erhoffe sich dennoch von Seiten der Stadt Bad Tölz eine baldige positive Nachricht zur Bestellung.

Am 25. November 1921 beschließt der Stadtrat die sofortige Anschaffung der Spritze bei den Magirus Feuerwehrgerätewerken. Die Bestellung erfolgt am Samstag, dem 1. Dezember 1921 vorab telefonisch. Bis zum Frühjahr solle das neuzeitliche Feuerlöschgerät seiner Bestimmung übergeben werden, so der Tölzer Kurier vom 27. Dezember 1921. Man liegt nun beim außerordentlich billigen Preis von 225.000 Mark für das vollständige Gerät.

Feuerwehr-Referent und Stadtrat Adam Mattern berichtet sehr beeindruckt von einer Vorführung der Spritze vor dem Innenministerium in München. Das Fahrzeug sei solide und dauerhaft gebaut und wirke sehr gefällig. Obwohl die Spritze einfach zu bedienen sei, wird empfohlen, „nicht allzuviel Mannschaften an der Spritze herumdrehen zu lassen.“ Lieber soll ein verantwortlicher Maschinist-Chauffeur angestellt werden, der auftretende Störungen beheben kann. Zur Unterstellung ist ein frostsicherer, abschließbarer Raum erforderlich. Jeden zweiten Tag soll die Maschine inspiziert und einmal pro Woche probiert werden. Man geht von bis zu 15.000 Mark hohen Betriebskosten aus.

Andere Wettbewerber wie die Firma Opel-Automobilhaus München, die Faun-Werke Nürnberg oder die Daimler-Motoren-Gesellschaft, die sich alle mit Angeboten noch an den Tölzer Stadtrat wenden, kommen zu spät.

Im April 1922 fordert Magirus die Stadt Tölz mit Verweis auf die vereinbarten Zahlungsbedingungen auf, das erste Drittel des Kaufpreises zu überweisen.

Nun folgen Monate heftigen Ringes um die erste Kraftfahrspritze für die Tölzer Feuerwehr. Die Wirtschaft läuft gerade in die Hyperinflation. Eine verlässliche Preisbildung ist nicht mehr möglich. Die Gemeinden, die eine Spritze bestellt haben, kommen mit der Firma Magirus in Streit über den ständig steigenden Kaufpreis und die erhebliche Verzögerung des Liefertermins. Magirus verweist regelmäßig auf die extreme Teuerungsrate sowie unverbindliche Preise und Liefertermine. Streikwellen bei Bahn-, Metall- und Holzarbeiter erschweren zusätzlich die Produktion.

Bei Gesprächen zwischen Besteller und Hersteller im September 1922, die zuweilen vom Landes-Feuer­wehr-Ausschuss und dem Innenministerium moderiert und begleitet werden, liegt man bei einem Kauf­preis für die Tölzer Spritze von 3.023.000 Mark. Reduziert um Anzahlung von 78.000 Mark (gleich 1.019.000 Mark nach dem aktuellen Dollarstand gerechnet) verbleiben immerhin noch 2.004.000 Mark für die Kraftfahrspritze. Als verbindlicher Liefertermin wird nun Mai 1923 zugesagt. Ende Oktober 1922 steigt der Fahrzeugpreis auf 2.925.000 Mark.

Am 27. November 1922 findet in der Ulmer Fabrik die Rohbauabnahme für das Tölzer Fahrzeug statt, die gut verläuft. Von Seiten der Stadt überlegt man, ob sich ein Rechtsstreit wegen der Kaufpreis­steigerungen lohnen könnte. Da es mehrere Gemeinden in der gleichen Lage gibt, könnte dieser den Charakter eines Musterprozesses haben. Man bleibt aber auf dem Verhandlungsweg.

Anfang Dezember erfolgt eine Mitteilung der Stadt Bad Tölz an die Firma Magirus, dass unabhängig von der Preisregelung ein Normalanstrich rot und schwarz mit der Aufschrift Stadtgemeinde Bad Tölz gewünscht wird.

Der Kaufpreis liegt nun aufgrund der Geldentwertung, Lohnsteigerung und Rohmaterialiensteigerung bei rund 6 Millionen Mark. Auf Veranlassung des Bayerischen Feuerwehr-Verbandes hin, werden die für Bayern bestimmten Spritzen, also auch die Tölzer, mit elektrischer „Fenag“-Licht- und Anlasser-Anlage der Firma Fritz Neumayer A.-G., München ausgestattet, auch um die bayerische Industrie zu unterstützen.

Mitte Dezember beschließt der Stadtrat, dass die Kraftfahrspritze auf jeden Fall gekauft werden solle. Man möchte weiter verhandeln, auch in Richtung eines höheren Staatszuschusses. Falls eine Erhöhung nicht gelinge, solle erwogen werden, auf den Zuschuss ganz zu verzichten, um sich damit auch von jeder Ver­pflichtung frei zu machen.

Weitere Telefonate werden geführt, Briefe gewechselt. Bürgermeister Stollreither sagt am 21. Dezember 1922 die Abnahme der Autospritze zu. Ende Dezember kommt der Tagespreis für eine Autospritze gleicher Ausführung mit normalem Spritzenzubehör auf etwas über 18 Millionen Mark. Als Entgegen­kommen wird ein Preis von 12.250.000 Mark angeboten. Dabei soll aber die schon geleistete Anzahl bereits berücksichtigt sein. Eine Bezahlung oder Überweisung solle sofort erfolgen. Die Spritze kann nach Bezahlung innerhalb von 8 Tagen zum Versand gelangen. Dabei ist eine Überführung auf eigener Achse aus Kostengründen dem Bahntransport vorzuziehen. Mit der Auslieferung der Spritze wird eine Er­klärung der Stadt Bad Tölz gefordert, die Spritze nur zum Schutz der bestellenden Gemeinde Bad Tölz zu nutzen und dass sie zumindest nicht außerhalb Bayerns Verwendung finden darf.

In der nächsten Sitzung am 12. Januar 1923 teilt der Vorsitzende dem Stadtratskollegium mit, dass der Kauf der Kraftfahrspritze mit Zubehör und Schläuchen abgeschlossen sei. Es konnte ein Preisnachlass von 2 Millionen Mark erreicht werden. Der Betrag von 12,8 Millionen Mark, der zu den bereits entrichteten 75.000 Mark noch bezahlt werden musste, wurde von dem Holzindustriellen August Moralt für die Stadt vorgeschossen. Die Stadt stellt dafür einen Dreimonatswechsel aus. Die Schulden werden letztendlich mit Holzverkäufen an Moralt verrechnet. Dafür wird ein Antrag auf einen Sonderhieb gestellt. Vom Staat wird ein Zuschuss von 1 Million Mark gewährt, wofür die Leistung der Überlandhilfe zur Bedingung gemacht wird.

Am 5. Februar 1923 trifft die Kraftfahrspritze in Bad Tölz ein. Am 9. Februar finden eine Probefahrt und eine Inbetriebnahme der Kraftfahrspritze statt, die vollauf befriedigt. Die Abnahmeprüfung besteht aus einer Probefahrt mit vollbesetztem Wagen nach Lenggries und zurück und anschließender Spritzübung am Ellbach. Eine Spritzübung findet in der Vorstadt Krankenheil unter Wasserentnahme aus den Hydranten durch das Sammelstück statt. Beides ergibt, dass das Fahrzeug bei Verwendung einwandfreien Brennstoffes die zugesicherten Eigenschaften und Leistungsfähigkeit voll besitzt, wenn nicht übertrifft.

        wechsel.jpgWechsel über 12800000 Mark der Stadt Bad Tölz, geschuldet dem Holzindustriellen August Moralt
Wechsel über 12800000 Mark der Stadt Bad Tölz, geschuldet dem Holzindustriellen August Moralt

 

                                                                           August Moralt.jpgAugust Moralt der den Kaufpreis bei Magirus bezahlt

August Morlat, der den Kaufpreis
für die Kraftfahrspritze bei Magirus bezahlt.

Die Kraftfahrspritze soll mit Zubehör und einem Wert von 15 Millionen Mark für die Unterbringung im Feuerhaus beim Bayerischen Feuerversicherungsverband zur Versicherung angemeldet werden. Um sie vor Frost und Beschädigung zu schützen, soll im Feuerhaus mit einem Holzeinbau eine eigene Abteilung geschaffen werden. Die alte Dampfspritze soll nicht verkauft werden.

Tölzer Kurier vom 1. März 1923

Nächsten Sonntag, den 4. März nachmittags um 1 Uhr wird die kürzlich von der Stadtgemeinde angekaufte Kraftfahrspritze durch den Stadtrat der Freiwilligen Feuerwehr offiziell zur Bedienung übergeben. Anschließend daran findet am Mühlfeld eine große Übung der nunmehr aus vier Kompagnien bestehenden, mit Geräten vorbildlich ausgerüsteten Wehr statt, wozu Vertreter aller Feuerwehren und Gemeinden des Bezirkes eingeladen sind.

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Tölzer Kraftfahrspritze Bayern

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Die 4. Feuerlöschkompagnie der FF Bad Tölz vor ihrer Kraftfahrspritze.

Im Mai 1923 findet eine Übung am Gut Oberhof statt. Konsul Heinrich Roeckl zeigt sich hoch erfreut über den glänzenden Verlauf und kündigt eine Überweisung von 500.000 Mark zur Zahlung der Kraftfahr­spritze und zur Deckung der Übungskosten an. Der Stadtrat bedankt sich für diese namhafte Zuwendung in seiner Sitzung vom 25. Mai 1923. Am gleichen Tag werden der Ankauf von 100 m Druckschlauch, eines Saugschlauchs und Benzinreserve in Höhe von 3 Millionen Mark bewilligt, die über den Erlös aus der Lotterie der Tölzer Feuerwehr gedeckt werden. Das Material geht in das Eigentum der Stadt über.

Der zweite Akt wird mit dem Großfeuer vom 26. April 1924 ausgerechnet beim Moralt-Werk eröffnet, die neue Kraftfahrspritze versagt nach einem Motordefekt den Dienst. Nur die wohlweislich erhaltene Dampfspritze funktioniert. Bezirksamt und Stadtrat sind auch von der Leistung der Tölzer Wehr nicht gerade erfreut. „Die freiwillige Feuerwehr Bad Tölz könnte bei straffer Führung unter der Voraussetzung von Autorität und Disziplin sicherlich sehr Bedeutendes leisten. Heute war das Bild weniger erfreulich“, schreibt Oberregierungsrat Dr. Lurz an den Stadtrat. Die Sitzung am gleichen Tag wird teilweise sehr emotional geführt. Kopflos hätten die Wehrmänner gearbeitet und die Leistung sei als Saustall zu be­zeichnen. Man fordert einen hauptamtlichen Monteur, der für die Kraftfahrspritze die Verantwortung zu tragen habe. Ausdrücklich ausgenommen von aller Kritik wird der Führer der Autospritzenabteilung Caspar Flossmann. Verwundert ist man über den Ausfall der Spritze, die bisher bei allen Übungen vorzüg­lich funktioniert hat. Man vermutet einen Konstruktionsfehler.

Man konsultiert den polytechnischen Verein in Bayern. Der schreibt, dass zur Ursachenforschung weitere Untersuchungen vor Ort an der Spritze erforderlich seien. Neben übermäßiger oder falscher Bean­spruchung könnten auch Konstruktionsfehler oder Verwendung ungeeigneten Materials in Frage kommen.

Die Kraftfahrspritze wird repariert, aber zufrieden ist man mit dem Ergebnis nicht. Die 4. Kompagnie der freiwilligen Feuerwehr Bad Tölz teilt am 20. August 1924 mit, dass der neueingebaute Pumpenbetrieb der Motorspritze nicht einwandfrei funktioniere und ungewöhnliche Geräusche erzeuge.

Man denkt über einen Austausch des Fahrzeugs nach und tritt mit der Firma Magirus in Verhandlung. Drei Modellen stehen zur Auswahl: Burglengenfeld oder Zuffenhausen (je 2-2½ Tonnen, 1000-1200 Liter pro Minute) und Freiburg (3 Tonnen, 2000 Liter pro Minute).

Der Stadtrat will die Kraftfahrspritze gegen ein größeres, schwereres Modell austauschen, wenn sich die Magirus-Werke in der Kostenfrage entgegenkommend zeigen. Bürgermeister Stollreither, Stadtrat und Feuerwehrreferent Adam Mattern und der Führer der Kraftahrspritze Caspar Flossmann sollen Anfang November in Ulm verhandeln. Man einigt sich schnell auf das Modell Burglengenfeld.

Streitpunkt bleibt der Aufpreis für die neue Spritze. Magirus fordert 12 000 Rentenmark, die Stadt möchte allenfalls 3000 Mark zahlen und erwartet größtmögliches Entgegenkommen. Nach dem Versagen der Spritze könne immer noch ein Prozess auf Schadenersatz geführt werden. Auf weniger als 7000 Mark möchten sich die Vertreter der Firma Magirus aber nicht einlassen.

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Abbildung der Kraftfahrspritze Modell Burglengenfeld.

Über 100 Spritzen des gleichen Typs sind bereits ausgeliefert, ein Konstruktionsfehler auszuschließen. Zuletzt findet man den Kompromiss bei 4000 Mark. Zudem wird der Scheinwerfer des Modells Zuffenhausen angebracht sowie 10 Meter Saugschlauch und 2 große Standrohre mitgeliefert, die zum Sonderpreis von 450 Mark angeboten werden. Mit dem Tausch sollen alle gegenseitigen Ansprüche er­ledigt sein, insbesondere die Kosten, die der Firma Magirus für die Instandsetzung der Tölzer Kraftfahr­spritze erwachsen sind.

Die an der gelieferten Autospritze Modell Bayern befindlichen Armaturen, Schläuche usw., soweit diese Gegenstände zu der neuen Autospritze passen, bleiben in Bad Tölz zurück. Neu hinzugeliefert werden: Ein vierteiliges Magirus-Sammelstück, ein Satz Schneeketten, eine Blechmulde zwischen der Galerie des Aufbaus.

An der neuen Autospritze werden noch angebracht.
1 großer, drehbarer, abnehmbarer Scheinwerfer mit Stativ und 10 Meter Kabel
1 Saugschlauch 2 m lang, mit 1 Paar Messingverschraubungen,
2 große Strahlrohre mit 4 Mundstücken für den Betrag von 500 Mark.

Man hofft von Seiten der Firma Magirus, dass damit die bisher schwebende Angelegenheit bezüglich Autospritze Modell Bayern vollständig aus der Welt geschafft wird. Auf bei der Stadt eingehende Anfragen zum Modellwechsel solle als Anlass der Wunsch nach einem leistungsfähigeren Modell genannt werden.

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Vollzählig angetreten: v. l. Jakob Weber, Georg Listle, Caspar Flossmann, Anton Roth, Fritz Busch, Franz-Xaver Huber, Josef Niederberger, unbek., unbek., Hans Sedlmair, Hans Gotz, unbek., Hans Schretzenstaller, Perzlmeier (?), Oskar Allmeier, unbek., Hans Lautenschlager.

Die neuen Fahrzeugdaten: 2½ t Magirus-Fahrgestell mit 40 PS Magirus Benzin-Motor und Magirus-Hochdruck-Zentrifugalpumpe für 1250 Liter Minutenleistung bei einer gesamtmanometrischen Förder­höhe von ca. 80 m.

Am 14. November kommt die umgetauschte Spritze nach Tölz. Im Tölzer Kurier vom 18. November 1924 ist zu lesen:

Die umgetauschte Kraftfahrspritze ist am Freitagnachmittag über Wolfratshausen hier eingetroffen. Am Samstagnachmittag (15.11.) war Gelegenheit gegeben, die neue Motorspritze in Tätigkeit zu sehen und zwar in der Nähe des sogenannten Taubenlochs. Erschienen waren die Stadtvertretung, der Bezirks­feuerwehrvertreter, der Vorstand der hiesigen Freiwilligen Feuerwehr, der Kommandant und sonstige Interessenten. In kürzester Zeit entsandte die Spritze einen mächtigen Strahl von zirka 60 Meter Länge und 40 Meter Höhe, der in raschester Zeit imstande ist, ein Brandobjekt völlig mit Wasser zu überdecken. Die Spritze liefert in der Minute 1250 Liter Wasser, die Saughöhe betrug bei der Probe 8,60 Meter, eine noch nie erzielte Leistung. Es können im äußersten Fall 4 große oder 8 kleine Strahlröhren angeschlossen werden. Die Motorspritze funktionierte vorzüglich, auch deren Bedienmannschaft arbeitete wacker. Die Vorführung, bei welcher die Isar das Wasser vermittelst Saugschlauch lieferte, bewies, dass mit einer solchen Kraftfahrspritze ein radikales Mittel zur Löschung von Bränden vorhanden ist, vorausgesetzt, dass kein Wassermangel herrscht. Nach der Übung wurde eine Probefahrt unternommen; die Autospritze nahm den steilen Wackersberger Berg bei voller Belastung (14 Personen und 600 Meter Schlauch­material) spielend leicht. Als Neuerung besitzt die Spritze einen abnehmbaren großen Scheinwerfer zur Beleuchtung des Brandplatzes auf 30 Meter im Umkreis. Hoffentlich weist der neue Typ keinen „Konstruktionsfehler“ auf.

„Was lange währt, wird endlich gut“ kann auch das Motto für die damit schon zweite Kraftfahrspritze der Freiwilligen Feuerwehr Bad Tölz lauten. Was damals vermutlich niemand für möglich gehalten hätte: Die benzinautomobile Kraftfahrspritze steht heute nach 94 Jahren einsatzbereit im Gerätehaus der Tölzer Feuerwehr. Wenn das „Schnackerl“, wie es im Kreise der Kameraden genannt wird, auch nicht mehr der Brandbekämpfung dient, bei Feuerwehr-Jubiläen im Umkreis oder am Tag der offenen Tür zieht das Fahrzeug die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich.

Vermutlich bis 1954 steht das Fahrzeug bei der Tölzer Wehr im Einsatzdienst. Besonders zu erwähnen sind die zahlreichen Überlandhilfen in der Landeshauptstadt München während der Zeit der Bomben­angriffe im Zweiten Weltkrieg. Dank der Vollgummibereifung können auch Granatsplitter die Fahrt zu den Brandstellen nicht stoppen.

Nach Sepp Huber hat von 1968 bis heute der ehemalige Gerätewart der Tölzer Feuerwehr Anton Mayr die Rolle des Chef-Maschinisten inne. Übergabe ist mitten unter dem Festzug zur 100-Jahrfeier der Tölzer Wehr. Mayr kann den in der Marktstraße plötzlich absterbenden Motor mit gekonnten Handgriffen wieder zum Leben erwecken. Da nutzt Huber die günstige Gelegenheit zum Stabwechsel: Mayr fährt die zweite Hälfte des Festzuges und ab da bei allen Anlässen.

Aus der Chronik zum 150-jährigen Gründungsfest der Freiwilligen Feuerwehr Bad Tölz
Verfasser: Dr. René Mühlberger, FF Bad Tölz

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