Heute vor 25 Jahren
Mit dem Pfingsthochwasser begann am 21. Mai 1999 für die Tölzer Feuerwehr das bisher größte und aufwendigste zusammenhängende Einsatzaufkommen seit dem Bestehen der Tölzer Wehr. Gegen Mittag erreichte uns über die Stadtwerke eine Hochwasservorhersage, die für die Isar einen Abfluss von bis 400m³ Wasser pro Sekunde prognostizirte. Eine Angabe deren Auswirkung weder wir, noch die Stadtwerke einzuordnen wussten. Es war uns nicht bewusst was auf uns in den nächsten Stunden und Tagen zukommen wird, denn ein Hochwasser in dieser Größenordnung hat es seit knapp 50 Jahren und dem Bau des Sylvensteinstausees nicht mehr gegeben.
Enorme Niederschläge im gesamten südbayerischen Raum, gepaart mit der vorangegangen Schneeschmelze, durch die die Böden kaum mehr Wasser aufnehmen konnten, ließen die Bäche in unserer Region in kürzester Zeit zur reißenden Flüssen ansteigen und über die Ufer treten. Am Isarkraftwerk wurden 134 Liter Niederschlag auf den Quadratmeter gemessen, was nach Angaben des Wasserwirtschaftsamtes zu einem Spitzendurchfluss von bis zu 483 m³ in der Sekunde führte. Die größte Menge seit dem Bestehen der Tölzer Staustufe. Der Pegel an der Messstelle im Taubenloch ist dabei von den üblichen rund 50-75 cm auf über 3m angestiegen, so dass die Isar am Parkplatz Isarkai bis etwa 15cm unter die Kaimaueroberkannte reichte.
Um 13:44 Uhr erreichte uns der erste Alarm über einen Wassereinbruch in einen Keller. Kurioserweise handelte es sich dabei um ein Gebäude, das an einem der höchsten Punkte unserer Stadt, Am Winet, liegt. Über die Wiesen von Gaißach schoss das Oberflächenwasser über die Kellerlichtschächte, in das an der Stadtgrenze liegende Haus. Von diesem Zeitpunkt an entwickelte sich eine, für die gesamte Dauer bis zum 23. Mai abends, ununterbrochene Einsatztätigkeit, bei der es sich überwiegend um das Auspumpen von vollgelaufenen Kellern handelte. Die Ursachen dafür waren nicht nur Überflutungen sondern auch steigendes Grundwasser, von dem auch der Keller der Polizei in der Sachsenkamer Straße mit samt der Arrestzelle betroffen war.
Trotz dem massiven Einsatz von Sandsäcken, die im Bauhof gefüllt wurden, konnten die Häuser entlang der Königsdorfer Str. vor den Wassermassen, der Isar, nicht geschützt werden. Unterhalb des Ernst-Thissen-Steges versuchten wir entlang der Isarpromenade mit dem Aufschütten eine Kieswalles, der in eine Plastikfolie eingeschlagen wurde, die Anlieger zu schützen. Alles vergebens, die Isar stieg und stieg und überflutete auch diesen Wall. Mit einem massiven Pumpeneinsatz und zahlreichen Sandsäcken wurde versucht das Eindringen des Isarwassers in eine Wohnung unterhalb des Lindenhofes zu verhindern, doch die Wassermassen waren trotz dem Einsatz mehrerer Tragkraftspritzen, nicht mehr zu bewältigen. Wegen dem Druck der Wassermassen auf den älteren Teil der Kaimauer wurde diese vorsorglich mit Baustützen gesichert. So sollte ein umkippen der Mauer und eine massive Überschwemmung des Altstadtbereiches „Gries“, verhindert werden. Es wurde sogar eine Evakuierung des Stadtteiles in Erwägung gezogen. Gott sei Dank hat die Mauer Stand gehalten. Eine begrenzte Überflutung des Parkplatzes Isarkai und einem Teil der Kohlstattstraße war nicht zu verhindern. Denn in diesem Bereich wurde das Oberflächenwasser durch die höher fließende Isar zurückgestaut und aus der Kanalisation gedrückt. Auch der Linsensägbach trat über sein Ufer.
Völlig überraschend, aber auch auf das Hochwasser zurückzuführen, ereignete sich am Sonntag gegen 06:30 Uhr eine Gasexplosion in der Heizung eines Wohngebäudes in der Griesfeldstraße. Dort war Grundwasser in den Heizungskeller eingedrungen und verursachte einen technischen Defekt an der Gasheizung, der zu dieser Explosion führte. Dabei entstand ein erheblicher Schaden am Gebäude, der Bewohner kam glücklicherweise mit dem Schrecken davon.
Der größte Einzelschaden dürfte der Stadt durch die Unterspülung der Rehgrabenbrücke entstanden sein. Durch Ellbachwasser, das über ein Entlastungsrohr neben der Rehgrabenbrücke in den Rehgraben geleitet wird, wurde die Böschung abgespült und ein Teil des Brückenpfeilers freigelegt. Eine sofortige Sperrung der Brücke, die über 2 Wochen andauerte, wurde notwendig.
Die laufende Berichterstattung in den Medien führte auch zu einem, für uns bisher noch nicht bekannten, „Katastrophen-Tourismus“. Hunderte von Menschen versammelten sich an der Tölzer Isarbrücke, um mit eigenen Augen die angekündigte Welle, wie der Höchststand im Fachjargon heißt, zu sehen. Zu sehen gab es dabei aber nur einen kaum wahrnehmbaren nochmaligen, um wenige Zentimeter ansteigenden Pegel, der dann langsam aber kontinuierlich zu sinken begann.
Ein Schlauchbootunfall, der ein Todesopfer forderte, überschattete das Hochwasserereignis. Im Bereich Leger, im Gemeindegebiet von Lenggries, legte ein mit vier Männern besetztes Schlauchboot am Pfingstmontag ab und kenterte dann bei den Stromschnellen auf Höhe der Isarburg. Drei Männer konnten sich ans Ufer retteten. Ein 56-jähriger Wolfratshauser wurde erst am 29.Mai auf Höhe Roßwies tot aufgefunden. Dort ist sein Leichnam in den Sträuchern hängen geblieben und musste von uns geborgen werden.
Aufgrund der, über den gesamten Landkreis hinweg entstanden Einsatzlage, wurde im Besprechungsraum unseres Feuerwehrgerätehauses eine Einsatzleitung eingerichtet. Kreisbrandinspektor Herbert Schölderle übernahm die Einsatzleitung und organisierte fort an die Einsätze im Landkreis. Unterstützt wurde er von unserer Funkgruppe, die in der neuen Einsatzzentrale ihre Arbeit aufgenommen hatte. Im Gerätehaus fanden auch die regelmäßigen Lagebesprechungen und Pressekonferenzen statt.
Nachdem für einen Großteil der Mannschaft die Einsätze im Laufe des Montags beendet waren, blieb die Einsatzzentrale noch bis Montagabend besetzt. Auch die am Sonntagnachmittag nach Hohenbirken, Gemeinde Bad Heilbrunn, ausgerückte Mannschaft beendete ihren Einsatz am Montag um 17:00 Uhr.
Während der gesamten Einsatzdauer wurden im Schulungs- und Bereitschaftsraum rund um die Uhr, unter der Leitung unserer „Stüberlwirtin“ Bärbl Mayr, zeitweise gleichzeitig bis 40 Einsatzkräfte von THW, Rettungsdienst, Bereitschaftspolizei und der Bunderwehr verpflegt.
Von Freitag bis Montag haben die Kameraden unserer Wehr 91 Einsätze abgearbeitet und dabei 1985 ehrenamtlich Stunden geleistet.
Alles in Allem sind wir in Bad Tölz noch mit einem „Blauen Auge“ davongekommen. Das verdanken wir vor allem dem Sylvensteinstausee und den Mitarbeitern des Wasserwirtschaftsamtes, die durch die hervorragende Bewirtschaftung des Hochwasserspeichers den Abfluss der Isar in Bad Tölz erfolgreich regulierten.
Glücklicherweise war die 1997 begonnen Dammerhöhung um 3 Meter, trotz so mancher Kritik, soweit abgeschlossen, dass die Vergrößerung des Hochwasserrückhalteraumes um 20 Mio. Kubikmeter voll genutzt und die Speicherabgabe bei einem Speicherzufluss von bis zu 920m³/s auf 20m³/s reduziert werden konnte. Ohne diese Dammerhöhung wäre das Hochwasser lt. dem damalige Behördenchef des WWA, Herrn Hans-Joachim Kilian, nicht mehr kontrollierbar gewesen, so dass in Tölz bis zu 1300m³/s durchgeflossen wären. Ein unvorstellbares Szenario.
Seitdem hat sich viel verändert. Der Hochwasserschutz wurde durch die Stadt und das Wasserwirtschaftsamt in den vergangen Jahren im Stadtbereich entlang der Isar für einen Abfluß von 650m³/s ausgebaut. In einem Hochwassermanagementplan ist festgelegt bei welchen Pegelständen welche Maßnahmen zu treffen sind. Zudem wurden Hochleistungspumpen und Notstromaggregate beschaft, mit denen das Binnenwasser auch bei Stromausfall über die Deiche und Mauern in die Isar gepumpt werden kann.
https://ffbt.feuerwehren.bayern/verein/chronik/1999-pfingsthochwasser/
Quellen: Tölzer Kurier, Wasserwitschaftsamt Weilheim
Weitere Links zum Pfingsthochwasser.
https://www.merkur.de/lokales/bad-toelz/bad-toelz-ort28297/pfingsthochwasser-1999-in-bad-toelz-groesste-feuerwehreinsatz-nach-krieg-12307927.html
https://www.wwa-wm.bayern.de/hochwasser/hochwasserereignisse/pfingsthochwasser99/bilder_videos/index.htm
https://www.wwa-wm.bayern.de/hochwasser/hochwasserereignisse/pfingsthochwasser99/doc/Pfingsthochwasser_1999_Ablauf_WWA_Weilheim.pdf